Die jüdische Gemeinde im Mittelalter
Bischof Rüdiger Huzmann siedelte 1084 in dem Bestreben das Ansehen der Stadt zu mehren nahe des Domes Juden und Jüdinnen an. Bischof und Kaiser statteten sie mit günstigen Privilegien aus. So konnten sie beispielsweise in der ganzen Stadt Geldwechselgeschäfte und Warenhandel betreiben und besaßen darüber hinaus eine eigene Verwaltung. Zum Mittelpunkt der Siedlung wurde schließlich der Judenhof, das kultische Zentrum mit Männer- und Frauensynagoge sowie dem rituellen Kaltbad (Mikwe). Die Gemeindemitglieder waren im Fernhandel und Bankwesen tätig und verfügten über weitreichende wirtschaftliche und kulturelle Verbindungen zu jüdischen Niederlassungen in Südeuropa und über die islamischen Länder am Mittelmeer sogar zum Nahen und Fernen Osten. Durch ihre Tätigkeit im Fernhandel, ihre Kenntnis fremder Schriften und Sprachen und ihre religiöse Gelehrsamkeit bildeten sie eine wirtschaftliche und geistige Elite innerhalb der städtischen Bevölkerung.
Die jüdischen Gemeinden von Speyer, Mainz und Worms schlossen einen Bund namens "SchUM", nach den hebräischen Anfangsbuchstaben der Städte, den Juden und Jüdinnen in ganz Deutschland als Autorität in rechtlichen und religiösen Fragen anerkannten. Im 12. und 13. Jahrhundert erlebten die SchUM-Städte eine geistige und wirtschaftliche Blütezeit.
Erste Pogrome, Kreuzzüge und die Pest
Mit Beginn des ersten Kreuzzuges im Jahr 1096 überfielen einige Teilnehmende die auf dem Weg ins Heilige Land gelegenen jüdischen Siedlungen entlang des Rheins und machten dabei auch nicht vor den SchUM-Städten halt. Unterwegs zerstörten sie nicht nur Häuser und Kultstätten, sondern töteten auch alle Juden und Jüdinnen, die sich nicht zwangsweise taufen lassen wollten. Dem beherzten Eingreifen des damaligen Speyerer Bischof Johann ist es zu verdanken, dass die Stadt vergleichsweise wenige Todesfälle zu beklagen hatte. Er hatte sie in seine Burg gebracht, die Verfolger ausfindig gemacht und die Beteiligten anschließend hart bestraft.
So wie der erste brachte auch der zweite Kreuzzug 1146 Unruhen, die ein weiteres Mal durch den Schutz des bischöflichen Stadtherren abgeschwächt werden konnten.
Etwa ein Jahrhundert später versagte der amtierende Bischof jedoch seinen Schutz, als man vor den Mauern der Stadt eine Christin ermordet auffand. Die Juden und Jüdinnen wurden der Tat beschuldigt und in Folge dessen brannten ihre Häuser, sie wurden beraubt oder getötet. Der Bruder des Königs, Herzog Otto, veranlasste alle am Pogrom beteiligten Bürger die Häuser wiederaufzubauen und wies die geflüchteten Juden und Jüdinnen anschließend an in die Stadt zurückzukehren.
Als die Pest sich 1349 in Europa ausbreitete, wurde vielerorts die jüdische Bevölkerung dafür verantwortlich gemacht - sie wurden verfolgt, ihre Kultstätten und Häuser in Brand gesteckt. So geschah es auch in Speyer. Einige Jahre später kamen zwar wieder Juden und Jüdinnen nach Speyer, aber ihre Gemeinde erlangte nie mehr die Bedeutung, die sie in ihrer Blütezeit hatte. Erst im 19. Jahrhundert wuchs die Zahl der Gemeindemitglieder wieder, aber der Antisemitismus veranlasste viele erneut zur Abwanderung und Emigration. 1939 lebten nunmehr 77 Juden und Jüdinnen in Speyer, die fast alle dem Holocaust zum Opfer fielen. Erst seit Mitte der neunziger Jahre gibt es in Speyer wieder eine jüdische Gemeinde. Für sie wurde in Speyer gemeinsam von der Jüdischen Kultusgemeinde der Rheinpfalz, dem Land Rheinland-Pfalz und der Stadt Speyer zwischen 2008 bis 2011 eine neue Synagoge auf dem Grundstück der ehemaligen Kirche St. Guido erbaut.