Vier Fragen an Timo Effler


Wie erlebst Du die Zeit der Corona-Krise? Wie wirkt sich das auf Deinen Alltag und Dein Schaffen aus?

Ich gehe weder als Optimist noch als Pessimist durch diese Zeit, sondern als Possibilist. Das bedeutet, dass ich versuche, den Rahmen des Möglichen bestmöglich zu gestalten, ohne mit äußeren Bedingungen, die ich nicht beeinflussen kann, zu hadern. Meistens gelingt das sogar. Durch diese Flexibilität versuche ich meine Kreativität zu kanalisieren, indem beispielsweise Online-Formate ausprobiert werden wie regelmäßige Live-Streams mit ZimmerTheater-Programm im Frühjahr oder ein lyrischer Adventskalender auf den Social-Media-Plattformen im Winter. Dazwischen galt es, ermöglicht durch die Unterstützung des Kulturbüros, mit der Heiliggeistkirche eine neue Spielstätte herzurichten, da unser Kellergewölbe-Theater im Kulturhof nicht "coronatauglich" ist. Und dann natürlich einen Spielplan gestalten, Stücke auszuwählen mit möglichst wenig Schauspieler*innen und sich an die Arbeit machen. Das kostete alles enorme Kraft, umso glücklicher war ich, als Mitte August der Vorhang sich wieder öffnete und unsere Eigenproduktionen tolle Premieren feierten. Umso deprimierter war ich, als sich Anfang November die erneute Schließung von Kultureinrichtungen ankündigte. Dieses Auf und Ab in der Emotion, die fehlende Planbarkeit, die Rückschläge lassen mich manchmal schon resignieren, aber die kreative Energie bricht sich immer wieder ihre Bahn.

Es wurden jede Menge Hilfspakete geschnürt – auch für Kulturschaffende und die Veranstaltungsbranche. Funktioniert das für Dich?

Ich persönlich habe keine Hilfspakete in Anspruch genommen.

Was glaubst Du, wie sich die derzeitige Situation auf die Zukunft für Kulturschaffende bzw. die Veranstaltungsbranche auswirkt?

Ich bin der festen Überzeugung, dass die Kultur- und Veranstaltungsbranche zu den kreativsten und flexibelsten zählt und sich insgesamt schnell wieder regenerieren wird, vor allem weil die Nachfrage nach neuen Gedankenwelten und Reflexionsräumen unverändert ist. Wo es ein Publikum gibt, wird es auch Veranstalter und Kulturschaffende geben. Dass aber manche Veranstaltungsstätten oder auch einige Kulturschaffende diese Zeit finanziell nicht überleben, ist ungeheuer tragisch, weil völlig unverschuldet. Gleichzeitig glaube ich auch, dass die überwältigende Solidarität innerhalb der Kultur- und Veranstaltungsbranche nachwirken wird, indem sich aus der zunächst informellen Vernetzung Einzelner so etwas wie eine starke Kultur-Lobby entwickeln kann, die auch öffentlich zu einer Stimme wird, die im gesellschaftlichen Diskurs wahrnehmbarer sein wird.

Was erwartest Du von der Politik für die Zeit nach Corona?

Das ist eine schwierige Frage, vielleicht dass sie den vielen Worten auch viele Taten folgen lässt, dadurch dass sie eine wertschätzendere Haltung zur Kulturbranche einnimmt, indem sie versteht, dass gesellschaftliche Rentabilität nicht nur finanziell messbar ist, dass Kultur-Subventionen Investitionen sind für uns alle, weil dadurch Projekte zu Produkten werden, die uns intellektuell bereichern, emotional berühren, kritisch denken und reflektiert handeln lassen. Ich befürchte, dass die geschnürten Hilfspakete durch eine Senkung der Kultur-Etats mittelfristig gegenfinanziert werden. Das darf nicht passieren.


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