Wie erlebst Du die Zeit der Corona-Krise? Wie wirkt sich das auf Deinen Alltag und Dein Schaffen aus?
Diesen Freitag, den 13. März 2020 werde ich wohl nie vergessen: der Tag, an dem in nur wenigen Stunden mein gesamtes damaliges Leben zusammengestrichen wurde. Sämtliche Aufträge als Stadtführerin wurden storniert, das Historische Museum kündigte seine Schließung an, außerdem die Schule meiner Tochter und die KiTa meines Sohnes. Und schließlich musste ich die Schließung der Kunstschule veranlassen, die ich damals leitete. Dann kam erst einmal nur das Atmen: aus und ein. Und selbstverständlich das Essen... Von einem Tag auf den anderen hatte ich das Gefühl, den Tag nur noch nach Mahlzeiten zu strukturieren. Zurückgebombt in die Realität von Frauen der neunzehnfünfziger Jahre war ich nun finanziell abhängig von meinem Mann, für Erziehung, Bildung und selbstverständlich die Ernährung unserer Kinder zuständig. Fast wie ein Sozialexperiment auf RTL. Nur echt.
Dieser verheerende erste Schlag, den ich abbekommen habe, hat mich allerdings auch dazu gezwungen, mich früher und vielleicht auch intensiver mit der Situation auseinanderzusetzen.
Im Sommer habe ich dann alle Bereiche meines (Vor-)Lebens kombiniert (Führungen, Kinder, Kunst) und die Speyersafari entwickelt: Kinder entdecken ihre Stadt und treffen Künstler an den unterschiedlichsten Orten, um mit ihnen zu arbeiten. Es ging ein Gefühl der Erleichterung von den Kindern aus, das gerade zu heilsam war.
Ich erlebe gerade heute, dass vielen jetzt erst bewusst wird, dass es wohl kein Zurück in die vorherige Welt geben kann. Aber ich möchte Mut machen: vor uns liegt ein gigantischer Raum an Möglichkeiten, den wir ausschöpfen können. Darauf freue ich mich. Wenn wir den Mut haben zu experimentieren und zu improvisieren, haben wir jetzt die Chance, eine ganz neue Gegenwart und Zukunft mitgestalten zu können
Es wurden jede Menge Hilfspakete geschnürt – auch für Kulturschaffende und die Veranstaltungsbranche. Funktioniert das für Dich?
Ich persönlich bin da durch jedes Raster gefallen. Ich könnte höchstens Hartz IV beantragen. Trotzdem sehe ich mich in meiner Existenz (noch) nicht bedroht. Andererseits werden die ganzen Finanzhilfen natürlich auch irgendwann erschöpft sein. Geld ist endlich, soviel ist sicher. Daher denke ich, dass es wichtig ist, sie wirklich nachhaltig einzusetzen, zum Erhalt der Existenzen und Schaffensmöglichkeiten von Künstlern, da wir sie noch dringend brauchen. In ihnen sehe ich unser wichtigstes Kapital für unsere geistige Zukunft.
Was glaubst Du, wie sich die derzeitige Situation auf die Zukunft für Kulturschaffende bzw. die Veranstaltungsbranche auswirkt?
Wir haben im Überfluss gelebt. Im Schlaraffenland der Kulturförderung. Als Gästeführerin habe ich sehr gut am internationalen Kreuzfahrttourismus mitverdient. Natürlich vermisse ich meine Tätigkeit und meine finanzielle Unabhängigkeit. Aber dieser verantwortungslose Konsumtourismus war ja völlig außer Kontrolle geraten und unter diesem Aspekt sieht die Sache für mich wieder anders aus.
Was die Kultur angeht, hoffe ich sehr, dass es uns gelingt, die Bedeutung kultureller Bildung und historischer Verantwortung als zentrale Punkte unseres gesellschaftlichen Interesses darzulegen, auch und gerade in einer Krise.
Was erwartest Du von der Politik für die Zeit nach Corona?
Von der Politik eigentlich nichts mehr. Von den Kreativen hingegen einiges; denn Kunst ist kein Luxus, sondern ein Grundbedürfnis des Menschen. Heute vielleicht mehr denn je...