Vier Fragen an Thomas Sraka


Wie erlebst Du die Zeit der Corona-Krise? Wie wirkt sich das auf Deinen Alltag und Dein Schaffen aus?

Die Zeit der Coronakrise erlebe ich zusammengefasst als sehr bedrückend und voller Sorge. Ich hätte mir ehrlich gesagt vor Beginn dieser Krise nicht ernsthaft vorstellen können, dass es einmal zu einem Lockdown, Ausgangssperren und somit auch zu einem Berufsverbot, speziell einem Kulturverbot kommt. Im Alltag bedeutet das für mich, dass ich dem nicht nachgehen kann, was ich liebe zu tun und was für viele Menschen ein wichtiger Beitrag zum sozialen und kulturellen Leben ist. Ich kann als Musiker natürlich zu Hause spielen und komponieren, allerdings brauche ich persönlich dazu eine Band, also Mitstreiter und den Austausch mit ihnen. Ich spiele seit nunmehr 30 Jahren ununterbrochen und größtenteils in mehreren Bands gleichzeitig, probe regelmäßig mindestens zwei Mal die Woche, dazu die Auftritte. Das vergangene Jahr 2020 war das erste dieser Art mit deartigen Entbehrungen. Das ist für jemanden wie mich, der es gewohnt ist kreativ zu sein, ein sehr enges Korsett. Komponieren kann ich durch das viele Zuhause sein tatsächlich mehr als zu Nicht-Krisenzeiten, allerdings kann ich es - wie oben geschildert - nicht mit einer Band umsetzen. Ich möchte zum einen mit meiner Band "Andromeda Zoo" ein neues Album schreiben und veröffentlichen und zum anderen mit meiner Coverband "One Eyed Jack" Auftritte spielen. Das ist ein Bereich meines Lebens, den ich genau so sehr brauche, wie andere z.B. ein Fitnessstudio, Laufen, Feiern, Unterhaltung usw. All dies ist auf unbestimmte Zeit nicht möglich. Ein Teufelskreis, der einen nicht zufrieden sein lässt.

Es wurden jede Menge Hilfspakete geschnürt – auch für Kulturschaffende und die Veranstaltungsbranche. Funktioniert das für Dich?

Hilfspakete funktionieren für mich leider nicht, da ich neben meiner künstlerischen Tätigkeit als Musiker noch einem Beruf als Sachbearbeiter im Notariat nachgehe und daher zumindest ein geregeltes Einkommen habe; darüber bin ich natürlich froh. Wenn ich mir aber die Kultur- und Veranstaltungsbranche in dieser Zeit betrachte, kann ich die Geduld und enorme Spannkraft der Menschen, die davon leben müssen, nur bewundern. Gleiches gilt für die Gaststätten, denen es leider nicht besser ergeht und die z.B. durch angebotene Livemusik auch in die Kulturszene hineinspielen. Was mich ärgert, ist dass die Kultur- und Veranstaltungsbranche meiner Einschätzung nach von öffentlicher Seite komplett vernachlässigt wird und die Menschen, die dahinterstehen, im Stich gelassen werden. Hilfspakete werden an strenge Bedingungen gekoppelt und selbst dann monatelang nicht ausbezahlt. Wie soll man das rechtfertigen, schließlich stehen hier Existenzen auf dem Spiel. Das wird aus meiner Sicht den Verantwortlichen auf die Füße fallen und unsere politische Landschaft verändern. Ich befürchte, dass es nicht zum Guten sein wird. Was die Politik in Krisenzeiten versäumt, werden ihr die Betroffenen ganz sicher und mit Recht nachtragen. Großunternehmen erhalten kurzfristig Hilfen in Milliardenhöhe - Künstler müssen hierfür leider wesentlich größere Anstrengungen unternehmen. Mein Verständnis für die entsprechenden Entscheidungen und die angewandte soziale Rücksichtslosigkeit ist insoweit zwischenzeitlich voll und ganz aufgebraucht.
Löblich erwähnen möchte ich die angebotenen Hilfen meiner Heimatstadt Speyer. Hier wird zumindest im Rahmen des Möglichen versucht, Unterstützung in unterschiedlicher Hinsicht zu bieten. Das begeistert und setzt deutliche Signale. Den Verantwortlichen meinerseits ein großes Lob für diese Anstrengungen.

Was glaubst Du, wie sich die derzeitige Situation auf die Zukunft für Kulturschaffende bzw. die Veranstaltungsbranche auswirkt?

Ich kann nur unken, aber ich vermute, dass leider nichts mehr so sein wird wie vorher. Und selbst wenn wir einen Zustand erreichen, an dem die Infektionszahlen im Griff bzw. kontrollierbar niedrig sind, wird es doch in den meisten Menschen eine Gefühlslage der Angst und Unsicherheit zurücklassen, die sich nur sehr schwer und zeitintensiv wieder auf ein normales Niveau bringen lässt. Bezüglich der wirtschaftlichen Folgen befürchte ich, dass nur die wenigsten Kulturschaffenden diese Zeit überhaupt überstehen werden. Und selbst wenn sie mit zwei blauen Augen aus der Krise kommen, werden sie sich gut überlegen, ob sie in dieser Branche weiterhin tätig sein wollen und ob es genügend Aufträge gibt. Uns steht ein ganz großer Umbruch bevor, der für die meisten bedeuten wird, von Null anzufangen; diesen Mut muss man erst mal fassen. Erspartes ist aufgebraucht, Altersvorsorgen sind geplündert, staatliche Hilfen sind nicht gewährleistet oder stehen im Haushaltsbudget gar nicht zur Verfügung. Ich würde dies getrost als den größten anzunehmenden Unfall für die Kunst- und Kulturszene bezeichnen, und ob für viele eine Zukunft in dieser Branche besteht, wage ich zu bezweifeln. Ich hoffe allerdings, ich werde eines Besseren belehrt. Nichtsdestotrotz werde ich auf jeden Fall dem Musikmachen treu bleiben und sage mir persönlich: Jetzt erst recht.

Was erwartest Du von der Politik für die Zeit nach Corona?

Von der Politik erwarte ich zunächst einmal für die Zeit während Corona, dass sie die Betroffenen nicht in der Weise im Stich lässt, wie sie es bis heute tut, und die Hürden und bürokratischen Stolpersteine endlich lockert. Wir befinden uns in einem Wahljahr, das prägend und entscheidend sein wird für die Zukunft dieses Landes. Ich kann nicht unbedingt erkennen, dass sich die Verantwortlichen mit den angebotenen Lösungen momentan auf Wählerstimmenfang befinden. Meine große Befürchtung ist, dass es nach der kommenden Bundestagswahl einen großen Aufschrei geben wird, da sich mehr und mehr Wähler zugunsten fragwürdiger populistischer Fänger entschieden haben werden.
Wann die Zeit nach Corona sein wird, kann natürlich noch niemand abschätzen, ich hoffe aber, dass diese Zeit noch vor der kommenden Bundestagswahl sein wird. Ich erwarte oder wünsche mir zumindest für diese Zeit, dass diejenigen Menschen, die aus der Krise als wirtschaftliche Verlierer herauskommen, eine umso höhere soziale Unterstützung von öffentlicher Seite erhalten werden. Denn wie so oft sind diese Menschen nicht sozial schwach, sondern wirtschaftlich schwach. Sozial schwach sind diejenigen, die den wirtschaftlichen Schwachen nicht oder nur unzureichend helfen. Ich wünsche mir von unserer Bundes- und Landespolitik wesentlich kreativere und zukunftsorientiertere Maßnahmen, als man nach dem vergangenen Lockdown im März/April 2020 schon hätte ahnen können, dass dies nicht die letzte Anstrengung in dieser Krise sein wird und ausreichend Zeit war, sich um Lösungen zu bemühen. Jetzt einfach einen harten Lockdown zu verordnen für voraussichtlich insgesamt 5-6 Monate, zeigt, wie hilflos wir sind.
Was die Politik nach Corona und die staatlichen Hilfen für unsere Branche angeht, stimme ich mit der Meinung von Lemmy von Motörhead überein und was dieser über Politiker sagte. Man soll bekanntlich die Hoffnung nicht aufgeben, aber einen Blick in die Kristallkugel würde ich mir momentan, was die Zukunft der Kulturszene anbelangt, lieber nicht antun.
Es kann hier nur noch positive Überraschungen geben und die hätten alle dringend nötig.


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