Wie erlebst Du die Zeit der Corona-Krise? Wie wirkt sich das auf Deinen Alltag und Dein Schaffen aus?
Es war der 9. März und wir standen ein paar Wochen vor unserem selbst geschriebenen Jubiläums Musical: 10 Jahre Bühne frei. Wir hatten alle Rollen gelernt und gerade eben in einen „Boot Camp“ die letzten Schliffe angelegt. Unzählige Stunden und noch viel mehr Herzblut hatten wir investiert, damit unsere „Bühne frei“-Schüler und -Schülerinnen die Bretter, die die Welt bedeuten, unter ihren Füßen spüren konnten. Als wir von Covid19 erfuhren, haben wir von Woche zu Woche gehofft, dass es vielleicht doch gehen würde. Aber irgendwann habe ich gewusst – vorbei – und habe mich gefragt, ob die Chance wiederkommen wird. Unser Musical liegt in der Schublade und wir hoffen...
Unser Alltag? Findet inzwischen in ZOOM als Online-Unterricht statt. Wir wollen / müssen erfinderisch sein und da wir von Kreativität erfüllt sind, fällt uns immer wieder was ein und das Leben geht weiter – aber anders – ganz anders! Die Performances und der Präsenzunterricht fehlen uns immens!
Es wurden jede Menge Hilfspakete geschnürt – auch für Kulturschaffende und die Veranstaltungsbranche. Funktioniert das für Dich?
Für mich persönlich hat das funktioniert und mit der großzügigen Hilfe von Freunden und verständnisvollen Schülerinnen und Schülern und ihren Familien war es möglich, die erste Zeit zu überleben. Diese Hilfe war für 3 Monate angedacht. Und dann?
Meine langjährigen Dozenten, die alle als Solo-Selbständige arbeiten, konnten diese „Schnellhilfe“ nicht beantragen, da sie keine Betriebskosten haben. Als Arbeitgeber trägt man auch Verantwortung – der konnte ich nicht gerecht werden als wir ins Berufsverbot befördert wurden – das ist ein unerträgliches, hilfloses Gefühl.
Die November-Hilfe kam erst in Dezember und betrug nur einen Bruchteil der 75 Prozent, die versprochen wurden. Und jetzt?
Was glaubst Du, wie sich die derzeitige Situation auf die Zukunft für Kulturschaffende bzw. die Veranstaltungsbranche auswirkt?
So richtig drüber nachdenken möchte ich nicht wirklich.
Wir sind eine Musikerfamilie…es geht nicht nur um mich, sondern um meine 3 Söhne und ihre Familien und um alle befreundeten Musiker-Kollegen und -Kolleginnen. Klar müssen wir „das Beste daraus machen“. Klar haben wir es zu Hause warm. Wir haben ausreichend Klamotten und auch zu essen. Müssen wir einen völlig neuen Beruf erlernen, weil wir keine Musik mehr machen dürfen oder unser Publikum vom „scratch“ wieder neu aufbauen müssen? Müssen wir wieder auf die Suche gehen nach neue Schülern, die das Singen lernen wollen, aber Angst haben Herzblut und Geld dafür zu investieren, weil sie erlebt haben wie von heute auf Morgen das Singen verboten wurde?
Was erwartest Du von der Politik für die Zeit nach Corona?
Erwarten? Was kann man da erwarten? Ich möchte nicht in deren Schuhen stecken, die für die Entscheidungen im Lande verantwortlich sind. Die finanziellen Zahlen, von denen wir tagtäglich hören, sind inzwischen unfassbar utopisch. In der Kulturszene haben wir uns bisher glücklich geschätzt, wenn wir für ein Projekt staatliche Subventionen bzw. Sponsorengelder in vier- bis fünfstelliger Höhe erhalten haben. Getröstet wurden wir immer wieder damit, dass der Topf, aus dem geschöpft werden sollte, gerade nicht besonders gut gefüllt war. Und heute ist die Rede von Milliarden, aber die reichen nicht mal aus, um diejenigen zu unterstützen, die das Berufsverbot überleben sollen. Und…wie sollen unsere Kinder und Enkelkinder diesen Schuldenberg eines Tages bewältigen können? Meine Erwartungshaltung steht auf einem sehr niedrigen Level.
Eine idealistische und optimistische Lebenseinstellung hat uns Künstler bisher im Leben immer geholfen. Irgendwie haben wir es immer geschafft. Ob die Wertschätzung für das, was uns unser Leben lebenswert macht, es schafft uns wieder auf die Bühne des Lebens zu bringen? Wir werden wie immer unseren Kampfgeist und unsere Kreativität einsetzen!
Doch Systemrelevant?
Ist die Kultur (doch) nicht essenziell für uns alle?
Mehr über die Freizeitschule für Gesang, Tanz und Schauspiel Bühne frei!