Vier Fragen an Isabel Eichenlaub


Wie erlebst Du die Zeit der Corona-Krise? Wie wirkt sich das auf Deinen Alltag und Dein Schaffen aus?

Ich sehe in dieser Zeit ein großes Fragezeichen hinter allem, was bisher als „normal“ bezeichnet wurde. Mein Alltag hat sich insofern geändert, dass ich mich mit der Endlichkeit des Gewohntem, des Gesicherten, des Lebens, des Normalen konfrontiere und die Grenzbereich neu auslote und beleuchte. Ich nähre und pflege das, was mir selbst Licht und innere Sicherheit bringt: ein wachsendes Feingefühl für das, was für mich im Leben wesentlich ist, sinnliche Erfahrung, die Verbindung zu meinen Kindern, gute Gespräche mit Freunden und meinen Beruf als Künstlerin.
In der Zeit des ersten Total-Lockdown war es eine Herausforderung, den Alltag mit Beruf und Kindern zu bewältigen, von denen eines auf eine Förderschule geht. Es wurden aber auch neue Kräfte und Fähigkeiten wach. Ausfallende Proben und Konzerte waren dabei zeitlich betrachtet eher hilfreich! Was mir fehlte, ist der Energieaustausch mit dem Publikum, das Mitteilen über Musik in einem realen Raum.
Meine Tätigkeit ist bisher sehr vielseitig: Als Cellistin in Konzerten und Studioaufnahmen verschiedener Stilrichtungen bis hin zur Auf-und Uraufführung zeitgenössischer Werke, eigener Textvertonungen und Kompositionen, spartenübergreifenden Projekten mit Theater, Tanz, Bildender Kunst. Als Pädagogin gebe ich Cellounterricht, und arbeite mit Kindern ab dem Kindergartenalter, gebe interkulturelle Musik-Workshops für Jugendliche und Erwachsene.
Durch den plötzlichen äußeren Stillstand in der Veranstaltungsbranche und meiner pädagogischen Arbeit mit Gruppen hat sich - in sehr klarer Erinnerung daran, warum ich Musikerin geworden bin - in meinen Alltag ein Raum installiert, in dem ich aus der Resonanz mit meinen eigenen Empfindungen neue Motive finde und kontinuierlich weiterarbeite. Wie in jedem Entwicklungsprozess gehe ich durch Dunkelkorridore und trete wieder aus ihnen heraus. Das fühlt sich sehr lebendig an und ich ziehe viel Lebenskraft daraus, diesen Weg immer wieder zu gehen. Der Weg ist zum Ziel geworden und ich kann deutlich wahrnehmen, dass sich durch diese Prozesse Widerstandskräfte entfalten, die in der schwierigen Lebenssituation eine Energiequelle sind.
Ich möchte gerne weiterhin andere Menschen begleiten, einen Zugang zu Musik zu finden, als eine Welt, in der sie sich selbst kreativ erleben können und an Selbstbewusstsein und Selbstwertschätzung gewinnen.

Es wurden jede Menge Hilfspakete geschnürt – auch für Kulturschaffende und die Veranstaltungsbranche. Funktioniert das für Dich?

Ich schätze mich glücklich, durch meine Unterrichtstätigkeit mein Einkommen so weiterhin bestreiten zu können, so dass ich zum „Überleben“ keine zusätzliche staatliche Hilfe in Anspruch nehme.
Ich nutze Fördergeld der Kulturstiftung Rheinland-Pfalz für die Produktion einer Duo-CD mit dem Pianisten Adrian Rinck. Und es gibt weitere Ideen, die in den Startlöchern zu ihrer Umsetzung stehen. Durch die ausfallenden Eigenmittel werde ich dafür auf Finanzierungshilfe angewiesen sein.  

Was glaubst Du, wie sich die derzeitige Situation auf die Zukunft für Kulturschaffende bzw. die Veranstaltungsbranche auswirkt?

Ich sehe in der Zukunft eine Chance, dass Live-Konzerte in einem neuen Werte-Bewusstsein besucht und gespielt werden.
Open-Air-Veranstaltungen in Parks und Höfen und eine kleinere Zuschauerzahl empfinde ich sowohl als Spielerin als auch für die Zuschauer als Bereicherung: durch die Nähe zur Natur und Umwelt entfaltet sich ein ganzheitlicher Erlebnisraum für Spieler und Publikum, durch eine verringerte Zuschauerzahl kann ich die Menschen mit meiner Musik unmittelbar berühren.
Bei allen Veranstaltern, die es bisher trotz allem Mehraufwand ermöglichten, kulturelle Veranstaltung unter neuen Bedingungen durchzuführen, möchte ich mich an dieser Stelle bedanken. Sie haben Beispiele für neue Formate gegeben und gezeigt, dass es Wege gibt, Kultur für Menschen weiterhin zugänglich zu machen.
In meinem Fall waren dies: Zimmertheater Speyer, Theater in der Kurve Neustadt, Kulturverein Rhein-Neckar, Verein Leben und Kultur Landau, Stadt Landau, Protestantische Comenius-Kirchengemeinde Oggersheim.

Was erwartest Du von der Politik für die Zeit nach Corona?

In Erinnerung daran, dass das System aus Menschen besteht und Menschen relevant sind für das System, Kunst den Menschen berührt und ihn daran erinnert, ein fühlendes und wahrnehmendes Wesen zu sein:
Ich wünsche mir eine Normalität, in der Kunst- und Kulturräume zweifellos installiert sind und der kunstschaffende Mensch gewertschätzt und unbedingt unterstützt ist, damit seine Fähigkeiten in diese Räume fließen können.
Das erhält die Kunst und den Menschen am Leben.


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