Vier Fragen an Alex Franken


Wie erlebst Du die Zeit der Corona-Krise? Wie wirkt sich das auf Deinen Alltag und Dein Schaffen aus?

Als der erste Lockdown kam, gab es erstmal große Unsicherheit, was wirklich passiert. Wird es keine Konzerte mehr geben? Das wird nie passieren, dachte ich, und wenn ja, wird es sicherlich Hilfe für unsere Branche geben, ... dann wurden wir als erste komplett abgestellt.
Es blieb nur noch privater Schlagzeugunterricht übrig, was etwa ein Drittel meiner Einnahmen darstellt. Viele Schüler (oder deren Eltern) waren ebenfalls unsicher, weshalb ich bei den meisten auf Online-Unterricht umstellte. Mein Problem war auch, dass meine Schlagzeugschule in der Halle 101 war, die dann - wie bekannt - zum Corona-Abstrichzentrum umfunktioniert wurde. Ab dem Zeitpunkt konnte ich dort nicht mehr unterrichten, was mich bisher zusätzlich 900 € an unnötigen Mietausgaben kostete.
Die Vorkehrungen seitens der Regierung waren und sind absolut notwendig. Ich selbst fühle mich dabei, gerade im Unterricht, viel sicherer. Es ist nur schade, dass die Hilfe für Musiker und die Kulturszene so kompliziert ist. Aktuell unterrichte ich im Proberaum meiner Band Fine R.I.P., in dem ausreichend Platz ist, um mit getrennten Lehrer-Schüler-Schlagzeugen, Plexiglaswänden zwischen den Sets, Desinfektionsmittel und allen Sicherheitsvorkehrungen zu arbeiten.

Es wurden jede Menge Hilfspakete geschnürt – auch für Kulturschaffende und die Veranstaltungsbranche. Funktioniert das für Dich?

Zum Glück bin ich ein sehr vorsichtiger Mensch und wartete zunächst etwas ab. Ich habe komplett die Finger davon gelassen als befreundete Musiker, u.a. aus Köln, mich anriefen, dass sie alles zurückzahlen müssen, da sie nachträglich doch durch das Raster gefallen sind. Zurzeit trifft es, mit einem halben Jahr Verzug, einige Kollegen aus Schleswig-Holstein, die jetzt gerade Post bekamen, sie seien doch nicht empfangsbefugt gewesen. Entweder hat man durch private Altersvorsorgen, Instrumente, etc. zu viel Eigenkapital oder die Hilfe ist NUR für Betriebsausgaben, die man als freischaffender Künstler sowieso kaum hat. Es war quasi nur zum Zwecke der Proberaum/Studio-Miete, oder im Falle einer Finanzierung/Kaufs eines neuen Instruments oder Autos, NICHT aber für die Lebenshaltungskosten. Aber von was kaufe ich mein Essen und zahle meine Wohnung? All das wurde bei den Hilfen nicht berücksichtigt und später auch kaum publik gemacht. Es hieß nur: Wir haben doch Hilfspakete zu Verfügung gestellt… Es gab ein Angebot für günstige Kredite, um den Lebensunterhalt zu bezahlen, aber von was werden die später zurückgezahlt?

Was glaubst Du, wie sich die derzeitige Situation auf die Zukunft für Kulturschaffende bzw. die Veranstaltungsbranche auswirkt?

Wie wir von der Hilfe im Frühjahr gelernt haben: Wer vom schlimmsten ausgeht, wird am wenigsten enttäuscht! Die Musikszene wird sich irgendwie selbst retten und wieder aufbauen, doch andere aus der Politik werden sich dafür auf die Schulter klopfen, wie gut es doch ausging und wie gut die Hilfen waren. Dabei sind wir es, die uns retten!!! Wir selbst, die sich mit Erspartem über Wasser hielten und wir selbst, die ihre Altersvorsorgeverträge auflösen mussten, um uns über Wasser zu halten. Wir selbst, die meist dank der Hilfe von Familie, Verwandten oder Bekannten unterstützt werden, anstatt dubiose Kredite aufnehmen zu müssen, von denen wir nicht wissen, wie wir sie zurückzahlen sollen. 
Ich befürchte, dass viele professionelle Musiker auf der Strecke bleiben, was bedeutet, dass danach die ganzen Hobbybands, die das nur zum Spaß an der Freude machen und für 2,50 € fünf Stunden spielen, den Markt zerstören und sich gegenseitig unterbieten werden. „Otto Normalverbraucher“ ist es egal, ob auf dem Weinfest eine gute oder schlechte Band spielt, das ist eh nur Hintergrund und meistens zu laut. Das ist in meinen Augen auch das Hauptproblem, warum es keine anständigen Hilfen gibt!
Da alle Clubs genauso leiden wie wir, einige sind leider schon für immer von der Bildfläche verschwunden, wird es die Clubszene erstmal so nicht mehr geben. Für Tourneen wird es anfangs ebenfalls schwer werden, denn viele Techniker/Tourmanager/Roadies sind nicht mehr in der Branche, da sie sich einen Job zum Überleben suchen mussten. Es wird anders werden, aber da unser Beruf unsere Berufung ist, werden wir das über die Jahre, gemeinsam mit Clubs, Veranstaltern und vielen helfenden Händen hinter der Szene wieder aufbauen!

Was erwartest Du von der Politik für die Zeit nach Corona?

Nichts! Aus Berlin gar nichts mehr… So gut wie alle Hilfspakete für Musiker waren, so kompliziert zu erhalten oder im Nachhinein dann doch wieder zurückzuzahlen. Die meisten fallen jetzt noch rückwirkend durch das Raster für die Hilfe vom Frühjahr, was eigentlich für sie zusammen geklöppelt wurde! Dass nach neun Monaten mit versprochenen Hilfeleistungen für Künstler und Freischaffende immer noch sehr viele durch die Prüfung fallen, ist unverantwortlich! Die Anträge sind oft derart lang mit abstrakten Klauseln, dass ein Steuerberater nötig war, um diese Rätsel zu lösen. Viel zu riskant, ich gehe nicht freiwillig in die Höhle des Löwen. Ich denke auch nicht, dass danach etwas passieren wird, und ich werde für mich auch gar nicht mehr schauen. Es gab zu viele Enttäuschungen, so dass man zukünftigen Versprechungen wieder nicht glauben kann und das Vertrauen verloren hat.
Regional ja! Speyer z.B. ist sehr bemüht, etwas für die Künstler und die Kultur zu tun und diese zu unterstützen, dafür ein dickes Dankeschön!


Mehr über Alex Frankens Band Fine R.I.P.