Vier Fragen an Paul Erb


Wie erlebst Du die Zeit der Corona-Krise? Wie wirkt sich das auf Deinen Alltag und Dein Schaffen aus?

Während Fluglinien über die Feiertage die Frequenz der Flüge in Ferienregionen erhöhen wollen und Abstandsregelungen in den öffentlichen Verkehrsmitteln abgelehnt werden, haben sich die Bayerischen Staatstheater gemeinsam mit dem Ministerium gerade erst auf eine verlängerte Spielpause bis Ende Januar verständigt, wird der Gang in die nächstgelegene Kirche oder den Konzertsaal als zu gefährlich eingestuft. So ist die Ironie schon allein darin zu finden, dass viele meiner Kollegen mit öffentlichen Verkehrsmitteln - ohne Abstand zueinander - zu Proben an geschlossenen Theatern fahren, um dort in Sälen mit mehreren hundert Sitzplätzen vor einem gähnend leeren Zuschauerraum zu spielen. Dabei hatten gerade Theater und Opernhäuser, wie auch Lichtspiel- und Konzerthäuser schon früh ausgereifte Hygienekonzepte ausgearbeitet. Diese widersprüchlichen Regelungen, gepaart mit einer scheinbaren Gleichgültigkeit seitens der Politik, lassen mich ratlos und verdrossen zurück. Für mich, der den direkten Kontakt zu seinem Publikum sucht, dessen Kunst genau von diesem Wechselspiel lebt, ist der erneute Lockdown ein Schlag ins Gesicht.

Von meinen diesjährigen Projekten sind nur wenige übrig geblieben. Zwar bin ich in der glücklichen Lage, sämtliche Projekte voraussichtlich 2021 nachholen zu können, dennoch ist dieses Jahr nichts anderes als ein kreatives Vakuum, welches mir persönlich viel Durchhaltevermögen abverlangt. Das Spielen für Publikum ist für mich der Beweggrund tagtäglichen Übens. Ohne dieses Ziel vor Augen schwindet nach und nach der Antrieb, nicht aber die Lust und Freude an der Musik. So gibt mir diese Zeit des Durchatmens auch Kraft für Neues und gewährt mir Raum für Projekte, die mit meinem Alltag bislang nicht vereinbar waren, wie die nun beginnende Arbeit als Regieassistent am Staatstheater am Gärtnerplatz in München.

Es wurden jede Menge Hilfspakete geschnürt – auch für Kulturschaffende und die Veranstaltungsbranche. Funktioniert das für Dich?

Das mit Abstand beste Hilfspaket wäre das erneute und endgültige Zulassen von Auftritten. Denn gerade als freischaffender Künstler und Student fällt man zurzeit durch fast alle Raster. Dabei habe ich das Glück, als Student finanzielle Unterstützung meiner Familie zu erhalten und meinen Lebensunterhalt nicht mit Konzerten bestreiten zu müssen. Dennoch brachten die Absagen des Sommers Gagenausfälle im vierstelligen Bereich mit sich, wenn auch Veranstalter vereinzelt Ausfallentschädigungen zahlen konnten. So konnte ich die für Studenten fehlenden unbürokratischen Hilfen einigermaßen ausgleichen.

Was glaubst Du, wie sich die derzeitige Situation auf die Zukunft für Kulturschaffende bzw. die Veranstaltungsbranche auswirkt?

Am stärksten bewegt mich die Sorge um die Zukunft vieler regionaler, kleinerer Kulturstätten. Gerade eine Stadt wie Speyer, deren gesellschaftliches Leben so stark vom Konzert- und Kulturleben geprägt ist, würde damit viel verlieren. Wer wird sich in Zukunft Kultur überhaupt noch leisten können? Diese Frage zielt sowohl auf das Publikum wie auch auf die Veranstalter und Städte. Werden wir weiterhin mit so großzügigen Subventionen des Staates und zahlreichen Sponsorengeldern rechnen können? Sicherlich wird die Branche noch einige Zeit mit einer gewissen Unsicherheit leben müssen, zu abhängig sind unsere Berufe von den aktuellen Infektionszahlen und den daraus resultierenden Beschränkungen.

Was erwartest Du von der Politik für die Zeit nach Corona?

Die entflammte Debatte über die Systemrelevanz der Branche offenbart ein Missverhältnis. Kunst- und Kulturschaffende fühlen sich nicht verstanden und nicht genügend wertgeschätzt. Wurde vor der Pandemie der vielfältigen Kulturszene unseres Landes viel an Bedeutung zugemessen, so bleiben angesichts des gegenwärtigen Handelns der Regierung nicht mehr als leere Hüllen und Floskeln übrig. Es sollte selbstverständlich sein, sich in naher Zukunft wieder stärker für die Belange der Kulturschaffenden einzusetzen, so wie es dem Land der Dichter und Denker doch so gut zu Gesicht stehen würde. Daher hoffe ich auf vermehrte finanzielle Unterstützung während der anhaltenden Beschränkungen und in aller erster Linie auf das baldigen Ermöglichen von Auftritten und Veranstaltungen. Einfach nur das Ende der Pandemie abzuwarten und auf eine Selbstheilung der Branche zu hoffen, ist nicht genug. 

Denn nicht nur die Künstler, sondern insbesondere die Gesellschaft wird gerade mit der Kunst eines zutiefst menschlichen Bedürfnisses beraubt. Die zurzeit erzwungene Verknappung des Kulturangebots wird den Zugang zu diesem Grundbedürfnis noch für einige Zeit einschränken. Umso wichtiger ist es, dass die Kunst allen offen steht, nicht von Geld oder Status abhängt und wieder ihren Platz im Leben vieler einnehmen kann, so wie vor dem Inkrafttreten der Beschränkungen.


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