Vier Fragen an Klaus Venus


Wie erlebst Du die Zeit der Corona-Krise? Wie wirkt sich das auf Deinen Alltag und Dein Schaffen aus?

Ich erlebe diese seltsame Zeit mit massiven Einschränkungen in „normale“ Abläufe: in den Alltag, in die Kultur, in unser aller Leben. Diese Einschränkungen sind offensichtlich notwendig und dienen der Gesundheit aller, allerdings frage ich mich bei manchen Regeln nach dem Sinn, wenn z.B. kulturelle Einrichtungen erst zur Einführung von Hygienekonzepten aufgefordert werden, dann aber dennoch schließen müssen und teilweise nicht mal die Chance haben, die Wirksamkeit dieser Maßnahmen tatsächlich unter Beweis zu stellen.

Einerseits ermöglicht mir das Ausbleiben diverser Routine-Tätigkeiten - das Unterbrechen des „normalen“ Fotografenlebens - die Hinwendung zu freien Projekten. Ich kann Themen aufgreifen, die sonst liegenbleiben wären. Andererseits entfallen durch geschlossene Kultureinrichtungen viele Termine, die mir als Kultur-Termine am Herzen liegen und die ich gerne fotografiere. Darüber hinaus entfällt die Interaktion mit Kulturtreibenden und anderen kreativen Menschen. Es entfällt der Austausch von Ideen und Gedanken, die mich selbst inspirieren. Digitale Formen des Austauschs per Telefon, Kurznachricht, Videotelefonie oder Chat sind für mich einfach nur ein kärglicher Ersatz.

Es wurden jede Menge Hilfspakete geschnürt – auch für Kulturschaffende und die Veranstaltungsbranche. Funktioniert das für Dich?

Keines der bisher geschnürten Hilfspakete funktioniert für mich, wobei diese selten für Solo-Selbständige funktionieren. Ich habe weder nennenswerte fixe betriebliche Kosten und mein Büro befindet sich zuhause. Noch habe ich Zugang zum Arbeitslosengeld II, da ich mit Ersparnissen von derzeit noch 9.100,- € als vermögend gelte, was ich beinahe als Hohn empfinde. Auch das Hilfspaket 3 ist in meinen Augen ein Witz, denn ich müsste die Arbeit komplett einstellen, um auf die ominösen 80% Verlust zu kommen, ab denen man unterstützt werden kann.

Was glaubst Du, wie sich die derzeitige Situation auf die Zukunft für Kulturschaffende bzw. die Veranstaltungsbranche auswirkt?

Ich fürchte und gehe davon aus, dass nach dem Ende der Corona-Pandemie von der lebendigen Kulturszene in Speyer und in anderen Städten nicht mehr viel übrig sein wird. Es werden noch einige - man verzeihe mir den Danglizismus - Mainstream-Angebote überleben; die reichhaltige, vielfältige und unabhängige Kulturszene wird Probleme haben, denn sie steht im Regen. Hier ist die Politik massiv gefordert, die hehren Worte in Taten umzusetzen und die Kultur auch finanziell zu fördern! Die Stadt Speyer nehme ich hier gerne aus, denn sie engagiert sich trotz angespannter Haushaltslage sehr. Ich befürchte auch, dass nach Ende dieser seltsamen Zeit viele Menschen kein Geld mehr haben werden, um kulturelle Einrichtungen zu besuchen.

Was erwartest Du von der Politik für die Zeit nach Corona?

Kultur bereichert die Seele, und wenn es der Seele gut geht, dann geht es auch den Menschen und der Gesellschaft gut. Ich erwarte von der Politik nicht mehr und nicht weniger als das Einschalten des gesunden Menschenverstandes, das Hören auf die Ängste, Sorgen und Nöte der Menschen vor Ort. Das setzt allerdings ein Stück weit voraus voraus, den Elfenbeinturm zu verlassen. Ich erhoffe und wünsche mir das Senden eines Impulses und die Förderung von Bildung und Kultur, damit Deutschland ein Kulturland bleibt. Wir dürfen nicht einfach nur zum Status quo ante zurückkehren, sondern wir müssen der Kultur und ihren Mitwirkenden tatsächlich den Raum und die Möglichkeiten zugestehen, die sie verdienen…


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