Digitaltag 2024


Das Panorama-Bild wurde von Peter Haag-Kirchner aus drei Fotografien von Willi Fix, die sich in der Fotosammlung des Stadtarchiv befinden (Reg Nr. 004183, 004184, 004185), zusammengesetzt.


Wichtig: Durch das Anklicken des Fotos oben öffnet sich die Panorama-Ansicht.

Am 6. Mai 1933 fand in Speyer in der Maximilianstraße eine der ersten öffentlichen Bücherverbrennungen durch die Nationalsozialisten in Deutschland statt. Dieser symbolische Vernichtungsakt richtete sich gegen jegliche Literatur, die der NS-Ideologie widersprach. Es war der Auftakt zur massenhaften Verfolgung und Ermordung von Menschen.

Nur wenige Fotos sind von diesem Ereignis erhalten. Der Speyerer Fotograf Willi Fix fotografierte das Geschehen vom Balkon des Historischen Rathauses in kurz hintereinander erfolgten Aufnahmen. Der Fotograf Peter Haag-Kirchner setzte 2024 im Auftrag des Stadtarchivs die überlieferten Aufnahmen zu einem Panoramabild zusammen. Die digitale Fotomontage vermittelt erstmals einen Gesamteindruck des Ereignisses.

Wir bedanken uns bei Bernd Fix, der uns die Verwendung der Fotografien von Willi Fix gestattet hat, und bei Peter Haag-Kirchner für die Umsetzung der Bildmontage. 

An den drei historischen Originalfotografien sieht man eindrücklich, wie drei leicht unterschiedliche Perspektiven und Aufnahmewinkel kombiniert werden mussten, um den Eindruck eines einzigen Fotos zu erzeugen:



Der folgende Beitrag von Katrin Hopstock befasst sich mit der Bücherverbrennung 1933 in Speyer und ist in der neuen Buchpublikation „Speyer 1933 – 1945. Die Domstadt im Nationalsozialismus“, herausgegeben von Angela Borgstedt und Christiane Pfanz-Sponagel im Aschendorff Verlag 2024 erschienen.


Die Bücherverbrennung in Speyer am 6. Mai 1933

Katrin Hopstock

„Wir Jungen aber wollen den morgigen Tag, den ich fast als Tag der Jugend bezeichnen möchte, nicht vorübergehen lassen, ohne auch äußerlich zu zeigen, dass es uns ernst ist damit, mit allem Alten und Undeutschen zu brechen... Auf freien Plätzen übergeben wir überall feierlich alles undeutsche Schrifttum, seien es vaterland- oder gottlose Schriften, seien es verlogene Verbrecherhefte und ähnlicher Schund, den Flammen. Die neue Zeit hat keinen Raum für Kitsch und Schmutz und Schund. Auf, Ihr HJ-Jungen, und lasst uns der Welt beweisen, dass wir auch innerlich frei geworden sind!“[1]

Mit diesen Worten kündigten die Nationalsozialisten am 5. Mai 1933 in der von Gauleiter Josef Bürckel herausgegebenen „NSZ Rheinfront“ ihr Vorhaben der Bücherverbrennung öffentlich an: Sie sollte im Rahmen des „Tages der bayerischen Jugend“ am Samstag, 6. Mai stattfinden. Der Vorbericht war eine wahre Hymne auf Hitler und die HJ und die „Sorge“ der neuen Regierung um die Jugend. In den Speyerer Tageszeitungen findet sich kein Hinweis darauf. Da an dem Wochenende Jugendliche eine Landessammlung durchführen sollten, teilte der HJ-Beauftragte der Stadt Speyer Heranwachsende dazu ein; zur Festzugsteilnahme hatte er bereits Ende April eine Registrierungspflicht sämtlicher Jugendorganisationen, Bünde, Jugendabteilungen Speyerer Vereine usw. verfügt.

Während die Bücherverbrennungen im Deutschen Reich meist am 10. Mai 1933 stattfanden, waren sie in Bayern zum Teil bereits für den 6. Mai geplant. So verhielt es sich auch in der Kreishauptstadt Speyer. Eine Ministerialentschließung vom 19. April 1933 sollte für die Entfernung „bolschewistischen und marxistischen Schrifttums in öffentlichen Bibliotheken“ sorgen, in Speyer die Stadtbücherei, die „Büchereien der Kirchenverwaltungen, der Stiftung und der Schulen“, vier Volksschulen sowie elf weiterbildende Schulen einschließlich Gymnasium. Dazu kamen die in den Beständen der bayerischen staatlichen, staatlich verwalteten und Hochschulbibliotheken befindlichen Bücher und Zeitschriften, die „ausgesprochen bolschewistische, marxistische, internationale, pazifistische oder atheistische Tendenzenaufweisen, die man vorerst sofort für die öffentliche Ausleihe sperrte und nur ausnahmsweise an „politisch Zuverlässige … für rein wissenschaftliche Arbeiten“ ausgab.[2] Gleiches galt für die übrigen öffentlichen Bibliotheken der Körperschaften öffentlichen Rechts. Die Entschließung ging jedoch erst am 2. Mai von der Kammer des Inneren an die Bürgermeisterämter, die Weitervermittlung durch das Speyerer Bürgermeisteramt erfolgte erst am 10. Mai, also nach der Speyerer Bücherverbrennung. Der HJ-Führer des Gebietes Hochland beabsichtigte eine Bücherverbrennung „in sämtlichen Orten Bayerns ... aller marxistischer pazifistischer Schriften und Bücher“ und bittet das bayerische Kultusministerium am 2. Mai 1933 um Unterstützung.

Bereits Anfang 1933 hatte die Kontrolle gewerblicher Leihbüchereien begonnen. In Schifferstadt wurden beispielsweise über 20 Bücher in der Wunder‘schen Leihbücherei beschlagnahmt, darunter Remarques „Im Westen nichts Neues“, Feuchtwangers „Jud Süß“ sowie sämtliche „Tarzan“-Bände von Edgar Rice-Burroughs. Gleichfalls im Frühjahr brachte die „NSZ Rhein-Front“ einen Artikel zur „Säuberung“ von Stadtbüchereien: Gefordert wurde nicht nur die Entfernung unliebsamen Schriftguts, sondern auch von Personal, nämlich von „jüdisch-marxistischen Elementen in Bibliotheken und Lehrkräften an Bibliotheksschulen“.[3]

In städtischen Akten der Zeit fehlen Hinweise auf die Bücherverbrennung selbst, auch im Landesarchiv finden sich nur wenige spätere Interna. Das „Rheinische Volksblatt“ schildert zwar den Tag der Jugend und den Zug, erwähnt die hiesige Bücherverbrennung jedoch mit keiner Silbe, ebenso wenig tun dies die katholischen und evangelischen Wochenblätter „PILGER“, „Evangelischer Kirchenbote“ und „Union“.[4]

Berichterstattung zur Speyerer Bücherverbrennung

Am 8. Mai berichtete die „Speyerer Zeitung“ über den „zufriedenstellenden Verlauf“ des Wochenendes.

Am Samstag marschierte der „Festzug der Speyerer Jugendorganisationen“, angeblich über 2.500 Teilnehmer, mit fünf Musikkapellen vom Festplatz durch den Innenstadtbereich über die Maximilianstraße zum damaligen Marktplatz vor dem Rathaus. Dem SA-Musikzug an der Spitze folgten, im Zug verteilt, die Kapellen von Stahlhelm, Kriegerverein, Katholischem Gesellenverein sowie Protestantischem Jugendbund. Teilnehmende Organisationen sind außer HJ, Jungvolk und SA die Sportvereine im „Dress“, Jugendbünde katholischer Bünde in Grün, der Deutsche Bund der Mädchen-Bibelkreise in Braun usw. Alle Schulen waren vertreten, auch die Lehrerbildungsanstalt, ebenso Insassen der Staatserziehungsanstalt und der Marineverein.

Die einzigen erhaltenen Fotos zeigen eine dichte Menge blockweise stehender Jugendlicher, leicht erkennbar die uniformierten Gruppen, Bünde und Vereine, einige Nonnen. Vor der Häuserfront standen Erwachsene gleichfalls dicht an dicht. Hauptredner war ein Unterbannführer Jotter aus Ludwigshafen. Seine Ansprache gipfelte in der Forderung, die Uniform der Jugendbünde zu vereinheitlichen, Braun sei die einzig richtige Farbe: „Und Ihr getraut Euch in anderer Uniform hierbei zu marschieren?!!“

Im umfangreichen Berichtsteil der „Speyerer Zeitung“ nahm die eigentliche Bücherverbrennung nur wenige Zeilen ein:

„Am Schlusse seiner Ausführungen kommt Jotter auch auf die aus den Schulbibliotheken entfernten Bücher zu sprechen, von denen je ein Exemplar derselben Gattung [sic] vor dem hakenkreuzdrapierten Rednerpult in einer Schale dem Feuertod übergeben [wurden], darunter auch Remarques „Im Westen nichts Neues“. Die Veranstaltung endete mit dem Absingen des Horst-Wessel-Lieds.“

Andere Speyerer Bibliotheken wurden in der Berichterstattung im Umfeld der Bücherverbrennung nicht erwähnt, weder die Pfälzische Landesbibliothek, die am 3. Mai 1933 ihr zehnjähriges Bestehen gefeiert hatte, noch die 1924 gegründete Stadtbücherei.

Nach 1933

1941/42 erhielt die Landesbibliothek Speyer auffällig viele Publikationen von der Kreisleitung Speyer, vorwiegend Verbotenes, das auf den jeweiligen Katalogkarten als „nicht einsehbar“ ausgewiesen wurde.  Auch während der Pogromnacht am 9./10. November 1938 wurde Literatur und Schriftgut vernichtet, vor allem fielen dem Speyerer Synagogenbrand elf Thorarollen zum Opfer, die umfangreiche Gemeindebibliothek, das wertvolle Notenmaterial von Kantor, Synagogenchor und Organist sowie nahezu das gesamte Gemeindearchiv.[5]

 


[1] NSZ-Rheinfront. 05.05.1933.

[2] StaSp 6/912.

[3] StaSp 6/912; NSZ-Rheinfront. 02.05.1933.

[4] Die 1930 in Ludwigshafen gegründete NSZ-Rheinfront erschien erst ab 1934 für Speyer selbst mit einer Nebenausgabe.

[5] Nur wenige Akten blieben erhalten, sie befinden sich seit Jahrzehnten in den Central Archives of the History of the Jewish People in Jerusalem, Bestand. D-Sp1 (alte Signatur PF XII).